Das Naturmuseum St.Gallen mit verschiedenen Sinnen erleben

Ein Erfahrungsbericht von Michelle Kolb
In Zusammenarbeit mit der Stiftung MyHandicap (EnableMe) haben wir Michelle Kolb im Frühsommer 2025 auf ihrem Museumsbesuch begleitet. Dieser Erfahrungsbericht zeigt, wie Michelle mit ihrer Sehbeeinträchtigung den Besuch im Naturmuseum St.Gallen erlebt.
Als Naturfreundin liebe ich es, mit meiner Hündin draussen unterwegs zu sein und lasse mich von meiner Sehbehinderung auch nicht von der Gartenarbeit abhalten. Dazu bastle ich notfalls haptisches Gartenwerkzeug und nutze meine Handykamera für die Bestimmung verschiedener Krabbeltiere. So gelingt es mir sogar, mit starker Vergrösserung Engerlinge voneinander zu unterscheiden. Umso mehr freue ich mich, heute das Naturmuseum St.Gallen zu besuchen – aktuell sogar mit einer passenden Sonderausstellung zum Thema «Krabbler».
Begleitet durch verschiedene Lebensräume
Das Naturmuseum St.Gallen mit der gleichnamigen Haltestelle ist mit dem öffentlichen Verkehr sehr gut zu erreichen und barrierefrei zugänglich. Mit Lift oder Treppe gelangt man als Besucher:in ins Foyer, wo es auch gleich losgeht. Eine Mitarbeiterin des Naturmuseums begleitet mich auf meiner Tour durch das Museum. Solche speziellen Begleitungen lassen sich jeweils fünf Arbeitstage im Voraus buchen oder man fragt vor Ort bei den Aufsichtspersonen nach weiteren Informationen zu einzelnen Ausstellungsgegenständen. Zudem bietet das Naturmuseum beim Empfang Informationen zu den Sonderausstellungen in Grossschrift an. Für mich sind diese leider noch immer nicht lesbar.
Völlig ohne Schrift und Ton funktioniert das Befühlen der verschiedenen Gegenstände, die in einer grossen Kiste bei der Ausstellungswand im Foyer für die Besucher:innen bereitstehen. Wie fühlt sich ein Geweih an? Wie schwer ist es? Und welches Fell ist denn so kuschelig? Der ideale Einstieg in die Welt der Waldtiere, die wir gleich im ersten Stock besuchen werden.
Wie riecht der Wald?
Auch der erste Stock ist wieder barrierefrei mit Lift oder Treppe erreichbar. An der Treppe sind beidseitig Handläufe angebracht und ausserdem signalisiert die Reliefschrift an der Wand, wo sich was befindet. An den Handläufen sind zudem die Stockwerke in Brailleschrift angegeben. Oben angekommen, geht's gleich weiter mit Tasten. So lässt sich der Dachs als einziges Ausstellungsobjekt auf dieser Ebene streicheln und verschiedene Felle, wie dasjenige des Fuchses oder des Eichhörnchens, befühlen.
Als Hobbygärtnerin zieht es mich aber gleich zu anderen faszinierenden Gartenbewohnern – den Ameisen. Und im Gegensatz zu den sonstigen Tieren der Ausstellung sind sie lebendig. Was für mich wie ein einziges Gewusel aussieht, ist in Wahrheit sehr gut organisiert. So werden zum Beispiel die toten Ameisen zum Friedhof gebracht; quasi aussortiert. Der Grund liegt darin, dass sie einen sehr starken Duft aussondern, wie mir erklärt wird. Dieser ist für uns Menschen jedoch nicht wahrnehmbar.
Weiter geht’s mit Duftstationen zu verschiedenen Waldgerüchen, wie Moos, Waldboden oder Lärchenholz. Diese Duftstationen gefallen mir besonders gut. Auch wenn ich jeweils meine Begleitperson fragen muss, welcher Duft es genau ist. Die Nümmerchen und die dazugehörigen Beschreibungstexte sind einfach zu klein gedruckt.
Dann wird es plötzlich etwas dunkler und wir betreten eine Art Höhle, in der das Skelett eines Höhlenbären ausgestellt ist. Die Zähne des Bären dürfen ebenfalls ertastet werden. Kaum zu fassen, dass dieser Vegetarier war. Begegnen wollte ich ihm trotzdem nicht.
Warum fühlen sich Steine unterschiedlich warm an?
Nun verlassen wir den ersten Stock und schauen uns die heimischen Tiere im zweiten an. Diese sind nach Lebensraum ausgestellt und bieten wieder viele Möglichkeiten, sie zu befühlen oder ihren Geräuschen zu lauschen. Sogar die Stacheln eines Igels lassen sich ertasten. Je nach Besucheraufkommen müssen die Fellpräparate alle paar Wochen ausgetauscht werden, erläutert mir meine Museumsbegleitung. So stark würden sie durch das ständige Anfassen abgenutzt werden. Aber der Aufwand lohne sich, um die Tiere den Besuchenden näher zu bringen. Denn wann hat man schon die Gelegenheit, einen Fuchs oder ein Wildschwein zu streicheln? Das Naturmuseum St.Gallen verwendet für die Präparation nur Felle von bereits tot vorgefundenen Tieren, zum Beispiel von solchen, die angefahren wurden.
Beim Aufstieg in den letzten Stock dreht sich die Zeit zurück und wir landen in der Welt der Dinosaurier. Echte Knochen lassen erahnen, welche gigantischen Tiere vor Millionen von Jahren auf der Erde gelebt haben. Aber auch skurrilen Tiere, wie dem Trilobit, wird ein Teil der Ausstellung gewidmet. Es ist auch das einzige Präparat auf diesem Stock, das ich befühlen darf. Unfassbar, dass es über 350 Millionen Jahre alt ist!
Auf dem gleichen Stock befinden sich auch eine kleine Bibliothek, eine Ausstellung zum Thema Bionik sowie verschiedene Mineralien. Ausgestellt sind zum Beispiel zwölf verschiedene Steine, wie Granit oder Marmor, die sich ebenfalls befühlen lassen. Faszinierend finde ich dabei, wie unterschiedlich warm die Steine sind. Ich erfahre, dass Steine mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit, wie zum Beispiel der Serizit-Marmor, die Wärme von meiner Hand wegleiten, wodurch sie sich kälter anfühlen. Steine hingegen mit einer niedrigen Wärmeleitfähigkeit, wie zum Beispiel der Kalkstein, isolieren die Wärme besser und fühlen sich daher wärmer an.

Informationen
Barrierefreiheit im Naturmuseum St.Gallen
- Vor dem Museum gibt es einen Parkplatz für Menschen mit Behinderungen, der Fahrzeugen mit der «IV-Parkkarte» zur Verfügung steht.
- Der Haupteingang liegt ebenerdig zur Umgebung und ist hindernisfrei zugänglich.
- Es gibt einen Besucherlift mit Sprachansage, der alle Ausstellungsbereiche erschliesst. Der Lift misst eine Fläche von 100 auf 210 cm mit einer Türbreite von 90 cm.
- Blindenführhunde sind erlaubt.
- Im ersten OG befindet sich eine rollstuhlgängige Toilette.
Aber auch meine lieben Gartenbewohner finden eine Ecke im Museum. Beispielhaft wird der Querschnitt eines Rasenabschnitts dargestellt, mit Schnecken, Würmern, Mäusen und natürlich: Engerlingen! Dank Handyvergrösserung finde ich doch tatsächlich heraus, dass es sich dabei um die Larve des Maikäfers handelt. Ein Schädling also, der eine Vorliebe für lebende Wurzeln hat. Man erkennt sie auch daran, dass sie sich in Seitenlage schlängelnd fortbewegen und nicht in Rückenlage, wie zum Beispiel die Engerlinge des Rosenkäfers. Da konnte ich meiner Begleitperson tatsächlich auch noch etwas weitergeben 🙂
Hätte das Wetter gepasst, wäre ich gerne noch durch den angrenzenden Naturmuseumspark geschlendert. Statt auf der Terrasse am Forscherteich, trinke ich meinen Kaffee deshalb im Museumscafé. Danach geht es wieder mit dem Bus Richtung Bahnhof. Dieses Mal hält er sogar direkt vor dem Eingang des Naturmuseums. Nach all den vielen Impressionen freue ich mich nun darauf, meinen Garten Zuhause mit neuen Augen zu betrachten und nach weiteren Krabbeltieren Ausschau zu halten.
Entdecke die barrierefreie Region St.Gallen-Bodensee
Finde nützliche Informationen, damit du deinen Besuch in St.Gallen planen kannst.
